Ich hätte diese Rezension am liebsten als Gespräch mit Ralph Guttenberger geführt, und teilweise wäre es vielleicht auch eine Art Streitgespräch geworden. Dazu hätte ich ihm auch eine Menge Fragen gestellt.

Mit dem Leser gemeinsam reflektieren und lernen

 

Er schreibt in seinem Tagebuch wirklich sehr offen, sehr persönlich und sehr ehrlich, wie er mit der Situation des Genickbruchs umgegangen ist. Das finde ich großartig an dem Buch, dass wir an seinen Gedankengängen, Zweifeln, aber vor allem auch seinen „Learnings“ teilhaben können. Und er uns dazu einlädt, diese Learnings auch auf unser Leben anzuwenden und zu schauen: Was kann ich daraus lernen, was könnte ich übernehmen?

Das habe ich fleißig genutzt und mir viele Notizen gemacht, zumal mir zwangsläufig Erinnerungen und Parallelen zu meinem eigenen schweren Autounfall kamen, der mich vor einigen Jahren mit 5 Knochenbrüchen in ein türkisches Krankenhaus statt in den Urlaub brachte. Und wo ich auch einige Monate aus dem Verkehr gezogen war als Trainerin, Coach und Autorin.

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Erkenntnisse und ihre Umsetzung

 

Nach so einem schweren Einschnitt in das normale Leben tauchen wohl oft die Fragen auf: Warum ist mir das passiert? Was soll ich womöglich daraus lernen?

Inzwischen bin ich ziemlich allergisch gegen ungefragte platte Eso-Deutungen von außen, von denen ich damals glücklicherweise verschont wurde. Und auch der Autor stellt fest, dass diese Frage nach dem Warum nicht sehr weiterhilft.

Das führt nämlich auch leicht zu einem Konzept von Strafe und Mitschuld. Du hast in deinem Leben etwas falsch gemacht und daher fällst du nun auf die Nase – oder auf das Genick!

Bullshit!

Die einzig sinnvolle Frage ist, wie kann ich bestmöglich mit der Situation umgehen, was kann ich damit machen? Welche Veränderungen in meinem Leben ergeben sich daraus. Zwangsläufig, weil vielleicht nicht mehr alles möglich ist.

Oder eben auch bewusst, weil ich diesen Einschnitt als Möglichkeit der Reflexion nutze.

Diese Entwiclung verfolge ich beim Lesen sehr gespannt und sehe auch bei ihm:

Der Weg von der Erkenntnis, neuer Vorhaben und Ziele hin zur wirklichen Umsetzung ist nicht so leicht. Auch das braucht Ausdauer, Konsequenz und Disziplin. Wovon er ja in anderen Bereichen erschreckend viel besitzt J.

Ich gehe da gleich noch konkreter darauf ein.

Meine kritischen Punkte und Fragen

 

Das Buch soll ja auch eine Ermutigung sein für andere, die auch schwere Krisen durchleben müssen. Ein Beispiel, wie man es schafft, sich durch eigene Anstrengung und Nicht-Aufgeben auch daraus wieder zu erheben und weiterzumachen.

 

1. Ermutigung oder Entmutigung

 

Und das ist mein 1. kritischer Punkt:
Ich fürchte, es könnte Menschen auch entmutigen. Die nicht durchtrainierte ehemalige Leistungssportler oder Piloten sind, die sich dann genauso verbissen einer täglichen mehrstündigen Trainingstortur unterziehen. Immer noch mehr machen, als der Physiotherapeut anbietet, immer an die Grenze gehen, bis zu Schmerzen.

Nach meinem Unfall lag ich wochenlang im Krankenhaus und dann im Pflegeheim, weil ich als Alleinlebende ohne meine Arme nicht viel machen konnte.

Von daher habe ich beim Lesen immer unwillkürlich Vergleiche gezogen, obwohl es natürlich ganz andere Situationen waren. Ich war ersteinmal komplett zugedröhnt von Medikamenten, Opiaten und Schlaftabletten, da ich nur auf dem Rücken liegend höchstens mal 3 Stunden schlafen konnte.

An so ein Training war gar nicht zu denken und in eine Reha konnte ich erst Jahre später.

Ich finde es toll, wie intensiv er täglich trainiert und es hat mich auch aktuell dazu bewegt, doch ein paar Schritte länger zu laufen oder wieder auf den langweiligen Ergometer zu klettern und zu strampeln.

Aber in dieser Intensität wie der Autor wird das kaum jemand hinbekommen und gibt dann womöglich vorschnell auf.

Einer seiner Werte ist Disziplin und Durchhaltevermögen.

Beides finde ich auch im Beruf und in solch einer Extremsituation sehr hilfreich. Doch nicht in dieser absolut (für mich) übertriebenen Form.
Zitat:“Disziplin ist für mich selbt ein Spitzenwert…Disziplin ist quasi mein Rückgrat – das Rückgrat, das im wirklichen Leben gerade so verletzt ist.“
Da habe ich spontan daneben geschrieben:
„Da könnte man ja auch vielleicht denken, dass jetzt gerade mal das Gegenteil angesagt ist?“ Nämlich nicht starre Disziplin, sondern auch einmal loslassen und weich werden. – Nur so als Gedankenanregung.

Er schreibt selbst: „Mein Leben lief in jeder Minute am Limit.“

 

2. Mach mal Pause

Er trainiert täglich stundenlang, um das Fitness-Niveau zu erreichen, dass er vor dem Unfall hatte. Warum muss es das gleiche Niveau sein? Ist es nicht toll, dass er nicht im Rollstuhl sitzen muss und wieder laufen kann?

Zudem stürzt er sich auch relativ schnell wieder ins berufliche Leben, hält Besprechungen mit Kunden im Krankenhaus ab und fährt sogar zu zweitägigen Seminaren. Obwohl er auch hier später Schmerzen und Erschöpfung spürt.

So schreibt er an einem Tag: „Heute ist keine Minute unverplant.“ Mit einer Mischung aus Therapie, Physio und beruflicher Arbeit.
Da werde ich schon ganz atemlos beim Lesen.

Da frage ich mich nicht nur: „Muss das sein?“, sondern auch, ob das wirklich sinnvoll ist für eine gute Heilung.
Und ob das auch das Learning ist: Wieder so viel wie möglich aus sich herauszuholen, jede Minute?

 

3. Eine gesunde Balance



Mir fehlt da oft das Gleichgewicht, die Balance! Er kann nicht immer nur Powern und Machen und Tun. Der Mensch braucht auch mal Atempausen, Erholung, das Gegenteil von Aktivismus. Yin und Yang, Aktiv und Passiv, Anspannung und Entspannung.
Bei aller Gymnastik, Yoga oder anderen Körperübungen gibt es immer diesen Wechsel von Anspannung und Entspannung. Wenn ich die Muskeln nur immer anspanne, ist das nicht sehr gesund!

Es hat für mich schon etwas Getriebenes.

Im Sport die Höchstleistung bringen, einer der besten sein, diese und jene Punktzahl erreichen – das alles sind Definitionen von außen.
Ist er nur dann wert-voll, wenn er Leistung erbringt?

Beruflich dann das Gleiche – Über allem schwebt der Gedanke der Leistung. Sich offensichtlich hauptsächlich definieren über Leistung, Erfolg, Anerkennung.

Aber auch das hinterfragt er immer wieder selbst im Laufe der Zeit, und wie ich oben schrieb, von der Erkenntnis zur Umsetzung, das ist auch ein manchmal mühseliger Weg, um alte Gewohnheiten zu durchbrechen.

 

Worum geht es im Leben?

 

Im Laufe seines Krankenhausaufenthaltes fragt er sich auch selbst immer wieder: Ist das so richtig? Sollte ich vielleicht mal meine Prioritäten überdenken? Was sind meine Werte? Worum geht es mir denn überhaupt in meinem Leben?

Und das macht das Buch wirklich spannend. Dieses Ringen mit sich, jahrzehntelange Muster zu hinterfragen und versuchen, diese aufzubrechen.

Nicht automatisch in alte Verhaltensweisen zurückzufallen und wieder 12-14 Stunden am Tag zu arbeiten.

Für ihn ist es schon ein großer Erfolg, dass er nach einem 8 stündigen Seminartag, nachdem er durchaus Erschöpfung spürt und auch Schmerzen hat, nicht noch einige Stunden an einem angefragten Angebot arbeitet.

Da komme ich nicht mehr mit. Da blinken alle Lämpchen los.

Ich habe nach meinem Unfall natürlich erst einmal alle Seminare und Coaching-Termine abgesagt und war erst mal mit Überleben beschäftigt. Die Rückreise nach Deutschland organisieren, die Woche im türkischen Krankenhaus überstehen etc. etc. Ohne tägliche Besuche von Freunden hätte ich das nie geschafft, ich konnte ja nicht mal nach dem Handy greifen oder es mir ans Ohr halten.

Aber auch in Deutschland, als ich später im Pfegeheim sogar mein Laptop ausgepackt habe, kam mir nicht in den Sinn, irgendwelche Seminare oder Coachings durchzuziehen. Ich habe alle Termine verschoben, die Kunden waren allesamt verständnisvoll und haben es mir nicht krummgenommen.

 

Erste Entscheidungen und Veränderungen

 

Der Autor schafft es allerdings dann doch, eine grundlegende Entscheidung zu treffen, nämlich sein Unternehmen nicht weiter expandieren zu lassen, sondern auf einen Standpunkt zu beschränken. Also eine sehr wichtige, grundlegende Entscheidung.
Er stellt sich auch selbst die Frage, wie und ob er die Erkenntnisse über neue Prioritäten dann wirklich umsetzt, wenn er wieder im Alltagstrubel gefangen ist.

Ich denke, einen dickeren Einschnitt als ein Genickbruch kann es kaum geben, um das weitere Leben zu überdenken und neu zu gestalten.

Bei mir hat es dazu geführt, dass ich komplett auf Online-Seminare umgestellt habe und seit 2019 keine Präsenz-Seminare mehr durchführe. Ich hatte zum Glück schon 2006 mit Online-Seminaren begonnen, das hat mir sozuagen den Ar… gerettet. Zumal ein Jahr nach meiner Unfall-Auszeit Corona kam und ich so viele Online-Trainer-Ausbildungen durchführen konnte wie noch nie, und so den finanziellen Verlust wieder ausgleichen konnte.

Ich verstehe seine auch finanziellen Sorgen und Zukunftsängste sehr gut, vor allem, wenn man noch eine Familie hat und andere am Unternehmen beteiligt sind.

Auch hier kommt der Autor zu dem Thema, was denn wirklich wichtig im Leben ist. Es gibt verschiedene Zitate von Sterbenden, was sie bedauern.

Dazu passt mein absolutes Lieblingszitat von Stephen Covey, das ich lange als Poster in meinem Büro hängen hatte. Darauf das Foto eines Beduinen bei der Teezeremonie (ich war 10 mal in der Sahara) und dazu der Spruch:
„Niemand bedauert auf dem Sterbebett, nicht mehr Zeit im Büro verbracht zu haben.“

 

 

Womit ich dann aber komplett hadere ist der Begriff „Demut“. Wahrscheinlich erinnert mich das zu sehr an meine katholische Vergangenheit und hängt irgendwie zusammen mit Schuld, keine Ahnung.
Besser gefällt mir da Dankbarkeit!

Dankbarkeit überlebt zu haben, nicht ein Leben lang im Rollstuhl sitzen zu müssen etc. Was war ich glücklich, als ich zum ersten Mal auf eigenen Füßen aus dem Pflegeheim gehen konnte bis zur nächsten Bank!
Ich hatte sogar beim gemeinsamen Essen im Heim einmal den Gedanken: „Was freue ich mich, wenn ich zu Hause wieder meine Geschirrspülmaschine ausräumen kann!“
Als Sinnbild dafür, das ich wieder eigenständig leben kann.

Und leider, leider verliert sich so etwas im Alltag doch sehr schnell wieder, wenn man nicht aufpasst. Sich immer wieder erinnert und dankbar ist, wie gut man die Kurve bekommen hat.
Wenn auch vielleicht nicht alles 100% so ist wie vor dem Unfall. Aber ein selbstständiges Leben mit seinen Lieben möglich ist, vor allem sich wieder draußen in der Natur bewegen kann.

Da schreibt er gegen Ende des Buches: „Heute nur 3 ½ km geschafft, das ist nicht viel!“

Ha! Ich bin stolz, wenn ich mit meinen Schleich-Wanderungen, wie ich sie nun nenne, 3-4 km schaffe, mit vielen Pausen.

Also auch hier: woran messe ich den „Erfolg“?

Die wichtigste Frage

 

Was aber meine Hauptfrage bleibt:
Wo bleibt Ralph?

Ich habe ihn im Buch beim Trainieren und Gesund-Werden begleitet, bei seiner Arbeit und  bei seinen Kontakten mit Familie und Kunden.

Doch wo ist Ralph?

Wo gibt es einmal Zeiten, die nicht ein Ziel und einen konkreten Zweck haben (trainieren, um fit zu werden etc.)?

Kennt er das Wort Freizeit überhaupt?
Kann er Natur einfach genießen? Einfach sein?

Muss man immer etwas leisten, tun, bringen, erreichen – oder Abenteuer erleben und an Grenzen gehen und diese überschreiten?

Darf man sich nicht einfach mal entspannen, Spaß haben, nichts tun, was irgendetwas „bringt“, sondern einfach nur Freude macht?

Ein Buch zur Unterhaltung lesen (kein Fachbuch), ein Bild malen, einfach weil es Spaß macht, auf dem Balkon sitzen und die Blümchen bewundern – was auch immer.

Natürlich erschließt sich daraus auch noch nicht die Antwort auf die große Frage nach dem Warum? Warum treiben wir das, was wir tun? Was ist der Sinn meines Lebens?

Das klingt hochtrabend, ist aber sicher im Zusammenhang mit solchen gravierenden Unfällen naheliegend, darüber einmal nachzudenken.

Ja, er engagiert sich auch noch ehrenamtlich für ein Projekt in Afrika, was ich auch sehr toll finde.
Doch auch hier: Arbeit für andere.

Wo bleibt Ralph?

Was passiert, wenn er einmal nichts tut? Nicht jede Minute mit Aktivität ausgefüllt ist?
Angst vor der Leere? Langeweile?

Ich weiß natürlich nicht, wie er sein aktuelles Leben lebt, da der Unfall nun auch schon einige Jahre her ist und leider noch weitere Krisen sein Leben erschütterten.

Welche seiner Learnings er so nach und nach in den Alltag integrieren konnte, und er nun ein erfülltes und zufriedenes und erfolgreiches Leben führt- auch mal mit Raum ganz für sich und mit seinen Liebsten.

Das ist mein Wunsch für ihn.

Danke für dieses Buch, es hat vieles in mir angestoßen, ich habe viel notiert und auch selbst wieder einmal reflektiert, worauf es denn nun eigentlich wirklich ankommt.

 

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