In einem vorigen Beitrag habe ich dir mein Seminar-Phasen-Modell vorgestellt, nach dem ich meine Seminare plane, ob Online- oder Präsenz-Seminar.
Als Ergänzung dazu zeige ich dir heute den „Suggestopädischen Kreislauf“.
Dazu ein kurzes Wort zu dem Begriff „Suggestopädie“. Das ist im Deutschen leider ein schreckliches Wort, im Englischen bedeutet „to suggest“ unter anderem wählen und anbieten.
Bei diesem Ansatz geht es um ganzheitliches und kreatives Lehren und Lernen, die Berücksichtigung aller Lerntypen, aktive Einbeziehung der Teilnehmer sowie spielerisches und bewegtes Lernen. Damit deinen Teilnehmern das Lernen leicht fällt und sie Spaß dabei haben.
Die Suggestopädie wurde ursprünglich zum Sprachlernen entwickelt und darauf ist auch der Suggestopädische Kreislauf abgestimmt. Trotzdem finde ich den Kreislauf auch für andere Seminare interessant und hilfreich. Denn er gibt uns Trainern noch einmal einen eigenen Blick und weitere Werkzeuge an die Hand, die ich mit dir teilen will.
Hier erst einmal im Überblick:
Auf dem Foto weiter unten habe ich meine Seminarphasen daneben gehängt, so dass du leicht sehen kannst, was mit den Begriffen aus dem Suggestopädischen Kreislauf gemeint ist.
Der Begründer der Suggestopädie, Dr. Lozanov, war Arzt und Therapeut und seine Frau war Sängerin. Wahrscheinlich finden sich daher Begriffe aus der Musik in dem Modell, wie das Präludium. Das meint die Hinführung und Einführung in ein Thema.
Lernkonzert
Was ganz speziell suggestopädisch ist und in anderen Seminar-Modellen nicht vorkommt, ist das Lernkonzert.
Lozanov unterscheidet zwischen dem aktiven und passiven Lernkonzert.
Das aktive Lernkonzert ist wohl hauptsächlich nur für Sprachunterricht geeignet und wird auch da ergänzt durch das passive.
Bei allen anderen Themen beschränkt man sich in der Regel auf das passive Lernkonzert.
Für die Lernkonzerte wird der zu vermittelnde Inhalt erst einmal in einen besonderen Text gebracht: eine Geschichte, ein Dialog, auf jeden Fall etwas Anschauliches, Konkretes, Unterhaltsames. Man kann nicht einfach einen Text aus einem Fachbuch nehmen, das hätte nicht die gleiche Wirkung.
Beim Sprachunterricht sind es oft Dialoge.
Es gibt ganz spezielle Methoden, wie man mit assoziativen Übungen solche Lernkonzerte schreiben kann, das ist auch Bestandteil der Online-Trainer-Ausbildung.
Das aktive Lernkonzert
Beim aktiven Lernkonzert haben die Teilnehmer den Text in der Hand und lesen aktiv mit, während der Trainer den Text zu dramatischer klassischer Musik im Hintergrund vorträgt. Dabei soll sich die Stimme an die Musik anpassen wie ein Surfbrett an die Wellen. Sie wird also laut und leiser, dramatisch und sanft etc.
Das passive Lernkonzert
Beim passiven Lernkonzert liegen die Teilnehmer entspannt in suggestopädischen Sesseln, so vorhanden. Früher habe ich die Teilnehmer in den Präsenzseminaren auf Decken liegen lassen. Bei Online-Seminaren können sie sich gemütlich aufs Sofa legen.
Im Hintergrund läuft langsame Barock-Musik, Adagio oder
Largo-Sätze, weil die den Alphawellen-Zustand im Gehirn unterstützen. Das ist
der Zustand, wie wir ihn auch kurz vor dem Einschlafen und kurz nach dem
Aufwachen haben.
Da ist das Unbewusste besonders aufnahmefähig (daher auch die Mär vom Lernen im
Schlaf).
Die Teilnehmer haben dabei die Augen geschlossen, lauschen der Musik und der Stimme und manchmal dösen sie auch weg. Das macht aber nichts.
Dieses passive Lernkonzert legt nur den Samen. Danach haben die Teilnehmer noch nicht die kompletten Inhalte aktiv zur Verfügung. Es hat sich aber bei den Untersuchungen gezeigt, dass sie bei den anschließenden Wiederholungen die Inhalte schneller lernten als andere, die vorher kein Lernkonzert gehört hatten.
1. und 2. Aktivierung
Eine Besonderheit des Suggestopädischen Kreislaufs gegenüber anderen Modellen ist auch die Unterteilung in zwei Wiederholungsphasen.
Diese lassen sich auch am besten anhand von Sprachunterricht erläutern und spielen bei anderen Themen meist keine so große Rolle.
1. Aktivierung meint schlichte Wiederholung und Übung. Es werden Vokabeln oder Grammatikregeln oder was auch immer wiederholt. Mit Memorys, Dominos und anderen spielerischen Methoden. Es geht rum reines Wiederholen und Auswendiglernen.
Bei der 2. Aktivierung geht es um die Anwendung, um komplexere Methoden und Übungen. Hier werden gelernte Worte angewandt, in Dialogen oder Rollenspielen, hier ist mehr eigenständige Denkleistung erforderlich.
Es kommt darauf an, welche Inhalte in einem Seminar oder Training angeboten werden. Bei EDV- Schulungen oder juristischen Themen, bei Buchführung und Arbeitsschutz gibt es ja auch durchaus Inhalte zu lernen, im Sinne von auswendig lernen und behalten.
Da machen dann diese Reihenfolgen von Aktivierung 1 und Aktivierung 2 auch Sinn, sprich: erst das einfache Wiederholen und Einüben, später die eigenständige Anwendung.
Bei meinen Seminarthemen und anderen Soft Skills macht das so keinen Sinn. Bei dem Thema Kreativitätstechniken werden verschiedene Themen der Teilnehmer mit den Kreativ- Methoden bearbeitet. Das ist immer sofortige „Anwendung“, da muss vorher nichts auswendig gelernt und wiederholt werden.
Auch bei den Train the Trainer – Seminaren ist die Reihenfolge kunterbunt und immer wieder von vorne, weil dort verschiedene Themenschwerpunkte bearbeitet werden.
Trotzdem ist es auch bei solchen Seminaren hilfreich als Orientierung, sich als Trainer bewusst zu sein, in welcher Phase man denn nun gerade ist.
Tipp
Viele der spielerischen Wiederholungsmethoden aus der Suggestopädie setze ich als Energizer ein, der eine Verbindung zum Seminarthema hat. So kann ich spielerisch noch mal alle Fachbegriffe einbringen, auch wenn die Teilnehmer sie nicht im klassischen Sinne auswendig lernen müssen und gleichzeitig kommt die Gruppe in Bewegung und wird aktiv.
Außerdem setze ich sie dann nicht alle hintereinander in der Aktivierungs-Phase ein, sondern verteile sie eben als Energizer über das ganze Seminar. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Rhythmisierung
Ein weiteres wichtiges Planungs-Instrument in der Suggestopädie ist die sogenannte Rhythmisierung. Dabei geht es um die Gesamtchoreographie. Wenn ich meine Seminare mit einem Mind Map plane, habe ich dazu die beste Übersicht.
Rhythmisierung meint Abwechslung von aktiv und passiv, von ruhigen und aktiven Phasen, nach Trainer-Input eine Teilnehmeraktivität. Es bezieht sich auch auf einen Wechsel der Sozialformen: mal Gruppenarbeit, mal in der Gesamtgruppe, einzeln oder mit Partnern.
Zwischendurch kommt immer der Einsatz von Energizern. Beispielsweise nach einer Pause oder wenn ein Themen-Bereich abgeschlossen ist.
Auch die Berücksichtigung der Lerntypen kann ich im Trainerleitfaden eintragen um zu sehen, ob ich auch da regelmäßig wechsle oder die ganze Zeit nur die visuellen Lerner anspreche.
Wenn es nicht um Sprachkurse geht
Viele Elemente aus dem Suggestopädischen Kreislauf kann ich auch bei anderen Seminarthemen einsetzen. In der Einstiegsphase setzen die Suggestopäden gerne die Methode des „Centering“ ein, die ich weiter unten erläutere.
Ich habe auch Lernkonzerte in Trainer-Ausbildungen eingebaut, beispielsweise zum Thema Lerntypen. Diese habe ich mit einer Geschichte über die beduinische Tee-Zeremonie in der Sahara erläutert J.
Oder in Firmen-Seminaren zum Thema Zeitmanagement. Da könnte man Geschichten als Lernkonzert nehmen, wo jemand entweder einen komplett stressigen unstrukturierten Tag durchläuft – oder im Gegenteil, einen Tag, wo alle Methoden und Tipps aus dem Seminar umgesetzt werden.
Das geht dann schon in Richtung Fantasiereise, womit in der Suggestopädie auch oft gearbeitet wird.
Eine weitere Methode ist die mentale Integration, wo auch mit einer halbgelenkten Fantasiereise durch den Seminartag gewandert wird und jeder Teilnehmer seine Erinnerungen und Umsetzungspläne damit verknüpft.
Centering
In Präsenz-Seminaren
Zum Einstieg wird oft ein Centering durchgeführt, meist gleich am Anfang, um den Teilnehmern zu ermöglichen, erst einmal ganz anzukommen. Sie haben unter Umständen eine längere Anfahrt hinter sich, sind aus ihrem Berufsalltag und Familie herausgerissen und bringen womöglich allen möglichen Ballast und Gedanken mit.
Das Centering soll helfen, sich langsam davon zu lösen und nicht nur körperlich, sondern auch mental im Seminar anzukommen, sich zu entspannen und zu öffnen für das, was kommt.
In Online-Seminaren
Diese Methode kann ich ohne Probleme eins zu eins in Online-Seminaren einsetzen. Im Forum habe ich es als Audiodatei eingestellt, im Webinar kann ich es live durchführen. Im Hintergrund läuft Entspannungsmusik, während ich die Teilnehmer durch die Übung führe.
Identitätswechsel
In Sprachkursen dient die Kennenlern-Phase schon gleich als Einstieg in die Sprache. Die Teilnehmer nehmen eine neue Identität an, das heißt, sie wählen einen Namen und einen Beruf der jeweiligen Sprache. So werden erste Klänge vertraut und die neue Identität ermöglicht neue Erfahrungen.
So ein „Identitätswechsel“ kann auch in anderen Trainings Sinn machen. So können in einer Ausbildung die Jugendlichen beispielsweise verschiedene Rollen einnehmen, wie im Physikunterricht berühmte Physiker.
Oft werden abstrakte Dinge in der Suggestopädie sehr konkret veranschaulicht, durch Bilder und Gegenstände. Es können aber auch die Teilnehmer ganz konkret und körperlich den Verdauungsprozess durchspielen, einmal als Müsli und einmal als Brötchen (so schon in einem Seminar erlebt) oder als Blutkörperchen durch den Blutkreislauf gehen.
Oder ich habe in einem Workshop zur Einführung in Twitter die Teilnehmer als Tweets über die Timeline laufen lassen.
Online kann ich solche Methoden nur teilweise einsetzen oder muss sie auf jeden Fall verändern. Da sind innere mentale Reisen leichter zu bewerkstelligen.
Picke dir die passenden Anregungen heraus
Manches ist vielleicht erst einmal befremdlich – und in so einem kurzen Beitrag (naja, kurz ist relativ :-)) kann ich nicht die komplette Suggestopädie erklären. Dazu habe ich ja auch eigens ein Buch geschrieben: „Zauberwelt der Suggestopädie.“
Aber als kreativer Mensch kannst du dennoch sicher einige Anregungen aufgreifen und für dich passend verändern.
Inzwischen ist Vieles aus der Suggestopädie auch durchaus bekannt und verbreitet, nur weiß niemand mehr, woher es ursprünglich kommt. Das ist aber ja auch gleich, Hauptsache die Ideen und Methoden finden Eingang in viele Trainings, damit die Teilnehmer noch leichter und freudevoller lernen können.
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