Das ist jetzt mehr als nur ein kleiner Stolperstein. Das ist für interaktives und lebendiges Arbeiten eine ziemliche Katastrophe – aus meiner heutigen Sicht.
Und da es ja mein Anliegen ist, dir zu helfen, wie du deine Online-Seminare lebendig und interaktiv gestalten kannst, ist das natürlich ein ganz wichtiger Punkt.
Dazu sind erst einmal einige Fragen zu klären, bevor wir uns Lösungen überlegen können.
Warum machen die Teilnehmer ihre Webcam nicht an?
Das kann ja ganz unterschiedliche Gründe haben und entsprechend unterschiedlich ist dann auch die Strategie, wie man sie vielleicht doch dazu bewegen kann.
1. Sie sind unsicher und trauen sich nicht
2. Sie wollen keinen Einblick in ihre Wohnung geben
3. Sie sind gezwungenermaßen dabei und haben gar kein Interesse, aktiv mitzumachen
4. Sie sind gezwungenermaßen dabei und machen nebenher was ganz Anderes, was man nicht sehen soll
5. Sie denken sich gar nicht viel dabei
6. Sie sind nicht gut frisiert, gestylt, meinen, sie können sich so nicht zeigen
7. Sie haben keine Webcam im oder am PC oder Laptop.
Welche Lösungen gibt es?
Es hängt natürlich auch davon ab, wie frei du in der Durchführung bist, ob du selbst ein Seminar anbietest oder für einen Veranstalter oder ein Unternehmen durchführst, die vielleicht bestimmte Regeln haben.
Meine allerersten Online-Trainer-Seminare machte ich für eine Weiterbildungs-Akademie bei Adobe Connect und damals war es nicht üblich, dass die Teilnehmenden die Webcam anmachten. Nur das Video der Trainerin war oben rechts zu sehen, doch nach dem Einstieg sollten wir auch das auf ein Standbild umschalten, wo man dann nur noch ein Foto sah.
Da es meine allerersten Online-Seminare waren, habe ich mir erst mal nicht viel dabei gedacht und fand es ganz angenehm. Ich dachte auch, die Teilnehmer könnten sich so besser auf die Präsentation oder die Arbeit auf dem Whiteboard konzentrieren. Phhhh!
Es war dann erst mal eine große Umstellung mir bewusst zu machen: Die Teilnehmenden sehen mich jetzt die ganze Zeit. Also nicht in der Nase bohren!! Vorher die Haare richten 😃.
Inzwischen ist es für mich tatsächlich nicht mehr denkbar, meine Live-Online-Seminare mit ausgeschalteten Kameras durchzuführen. Und zum Glück habe ich es selbst auch noch nie erlebt, dass Teilnehmer ihre nicht einschalten wollten. Das wäre bei einer Online-Trainer-Ausbildung auch höchst merkwürdig und nicht sehr zielführend.
Bei großen Worskhops auf Kongressen habe ich das natürlich nicht so im Blick und kann es auch nicht beeinflussen. Da arbeite ich dann eben nur mit denen aktiv, die auf der ersten Seite mit freigeschalteter Webcam zu sehen sind.
Hier nun ein paar Tipps:
1. In der Seminarausschreibung schon thematisieren
Auf der Webseite, wo das Online-Seminar beschrieben wird, kannst du neben den Inhalten und Methoden auch auf technische Voraussetzungen hinweisen:
Internetzugang (logisch), Webcam und Mikrofon und auch dazu schreiben, dass das Voraussetzung ist, um alle Methoden mitmachen zu können.
2. Vorab-Info-Mail
Vor dem Start eines Online-Seminars schicke ich immer eine Info-Mail an die Teilnehmenden, wo ich auch die technischen Voraussetzungen kläre.
Auch hier kannst du noch einmal ganz klar darauf hinweisen, dass es eine Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass sie ihre Webcam freischalten.
3. Klärung mit Auftraggeber und Erklärung
Wenn es im Unternehmen bisher nicht üblich war, die Webcam freizuschalten, würde ich mit dem Auftraggeber telefonieren und erklären, warum dann viele Methoden nicht möglich sind und somit keine wirklich effektives Live-Online-Seminar stattfindet.
Wenn du keine reinen Vorträge hälst, sondern mit den Teilnehmenden an bestimmten Themen arbeitest, ist das einfach Voraussetzung.
4. Methoden einsetzen, die nur mit eingeschalteter Webcam Sinn und Spaß machen
Ich starte oft mit der Post-it Methode, wo alle Teilnehmer ihre Webcam mit einem Post-it zukleben und je nach Antwort auf meine Fragen kurz wegnehmen.
Die Methode funktioniert aber nur, wenn kein virtueller Hintergrund eingeschaltet ist und die Webcam an ist. Somit erleben sie dann gleich sehr konkret, dass sie „nicht mitspielen“ können, wenn ihre Webcam ausgeschaltet ist.
Alle Methoden, wo wir nicht auf eine Präsentation schauen oder auf einem Whiteboard schreiben, funktionieren nur mit eingeschalteter Webcam.
Krasse Beispiele: Menschen-Memory, Leipziger Messe, Mein Huhn legt 14 Eier – also viele der Energizer machen ohne Webcam überhaupt keinen Sinn.
Auch die Paar- oder Gruppenarbeit ohne eingeschaltete Webcam mutet geradezu befremdlich an.
Wenn du ziemlich am Anfang eine Gruppenarbeit wie die 3 #Hashtags machst, wo sich immer 3 Teilnehmer in einem Raum treffen, werden wahrscheinlich die anderen schon sagen: „Schalte doch bitte auch deine Webcam an“.
5. Mit den Teilnehmer darüber sprechen
Je nach Menge der Unsichtbaren ist es sicher sinnvoll, mit den Teilnehmern zusammen darüber zu sprechen, warum sie die Webcam nicht einschalten wollen.
Liegt es daran, dass sie ihre Wohnung nicht zeigen wollen, dann kannst du ihnen empfehlen, den virtuellen Hintergrund einzuschalten. Besser wäre es, ein reales Tuch oder Fotohintergrund oder Pinwand oder Paravent dahinter zu stellen. Da gibt es viele kreative Möglichkeiten.
Wenn sie keinen plausiblen Grund nennen können oder wollen und du vermutest, dass sie einfach nicht beobachtet werden wollen, weil sie nebenher noch was Anderes machen wollen, dann liegt es an dir. Ich persönlich würde ihnen dann empfehlen, sich entweder für das Seminar zu entscheiden und voll dabei zu sein oder eben zu gehen.
Bei einem Präsenz-Seminar würden sie auch nicht nebenher ihre E-Mails checken, zumindest würde ich es dann sehen, wenn sie dauernd aufs Handy schauen und tippen. Und dann auch was sagen.
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Ich spreche jetzt von Seminaren, wo ich mit Erwachsenen arbeite.
Ich weiß, dass es in Schulen oft anders vereinbart war, dass Schüler ihre Webcam nicht anmachen sollten, das stelle ich mir für die Lehrer sehr schwer vor.
Es gibt auch Online-Seminare, wo die Teilnehmer zu irgendwelchen Maßnahmen geschickt werden und eigentlich keine Lust haben. Auch da höre ich oft, dass sie sich weigern, die Webcam einzuschalten.
Da weiß ich ehrlich gesagt auch keine Lösung. Nur für mich persönlich, dass ich solche Aufträge einfach nicht annehme. Denn wenn ich schon vorher weiß, dass ich mit den Menschen nicht vernünftig arbeiten kann, dann lass ich es lieber.
Das klingt natürlich hart und das muss jede selbst entscheiden.
Und vielleicht hat ja jemand auch da eine gute Idee oder mehrere oder auch Erfahrungen, dann freue ich mich auf entsprechende Kommentare unter dem Beitrag.
Das war das Schlimmste am Online-Unterricht. Ich unterrichte Sport und Bewegungserziehung, Musik und Musikerziehung und beziehe die SchülerInnen stets aktiv ein. Da geht es ums eigene Ideen einbringen, auch mal was Komisches vormachen… (Kinderpflege-Ausbildung, spielerischer Ansatz…)
Die Hemmschwelle war dementsprechend groß bei den Jugendlichen. Ich weiß auch, dass sich viele nur eingeloggt haben und dann nicht mehr präsent waren… Achja…
Irgendwie schon gut, dass Präsenz wieder möglich ist. Ich würde aber gerne einen Teil online abdecken, mit Lehrvideos, Tutorials… Meine Zielgruppe geht da nicht so aktiv mit, weil das ganze Kollegium am selben Strang ziehen müsste.
Vielleicht finde ich mal eine Ausbildung, wo ich meine Vorstellungen verwirklichen kann, das würde mir einen riesen Spaß machen: Blended Learning!
Ja bei Sport und Musik finde ich Online-Unterricht auch eine Herausforderung. Wobei Sport ja grundsätzlich noch eher geht. Aber Musik online ist ja eine große Herausforderung, zumindest bei Zoom kannst du ja den Ton immer nur von einem hören und nicht zusammen singen oder musizieren. Da verstehe ich, dass es dir Präsenz leichter fällt und mehr Spaß macht.
Ansonsten kann man grundsätzlich online ja sehr viel auch spielerisches machen und Komisches sowieso. Ich weiß nicht, ob du meine Videos mit Wiebke kennst, wo wir ja nur komische und spielerische Sachen online machen :-).https://www.youtube.com/Zamyat7/
Ja, die kenne ich, da habe ich mir auch schon einige Ideen geholt und viel gelacht – vielen Dank an Euch beide an dieser Stelle! : )))
Ich habe im Lockdown aus der Not schonmal in diesem Zusammenhang eine Umfrage an alle SchülerInnen gerichtet, warum die Webcam nicht eingeschaltet wird. Tatsächlich ist die Scham der größte Stolperstein und weil viele in sehr beengten Verhältnissen leben, die es nicht erlauben, dass sie frei und unbeobachtet mitmachen. Eine Schülerin durfte z.B. nicht laut sein und konnte die Kamera nicht einschalten, weil noch jemand im Raum geschlafen hat. Alle anderen Räume der Wohnung waren auch belegt.
Auch kommen sie in Konflikt mit ihrem privaten Umfeld, das vermutlich auch so „verrückten“ Ideen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen ist. Das, was ich versuche aufzubrechen, wird dort zementiert. Das geht in einem neutralen Umfeld wie in der Schule natürlich leichter. Da kann man auch nicht aus, alle sind exponiert. Am Ende der Ausbildung bei der Reflexion sind alle immer sehr dankbar, dass sie diese Hemmschwelle durchbrochen haben.
Ein weiterer Grund ist die mangelhafte Hard-und Software. Also für diese Zielgruppe besser Präsenz!
Trotzdem liebe ich es, online zu unterrichten!
Viele herzliche grüße
Susanne
Ja, das Bedürfnis, stattdessen oder gleichzeitig etwas anderes zu tun und deshalb die Kamera ausmachen… Das kann aufgrund von Desinteresse sein (zwangsgeschickt) oder auch eine Üblichkeit (Studierende) oder auch grandiose Selbstüberschätzung der eigenen Multitasking-Fähigkeiten.
Natürlich bitte ich vorher und nochmal am Anfang um eingeschaltete Webcams. Das hilft ein wenig, aber nicht bei allen.
Deshalb, so brutal das klingt: Es hat sich bewährt, gleich zu Anfang die Peinlichkeit aufzuzeigen. Wenn man z.B. am Anfang sagt, dass es immer wieder sehr kurze Gruppenarbeiten zu zweit mit einer Zufallsverteilung geben wird, dann trauen sich die Desinteressierten viel weniger, zwischendurch mal mit dem Hund Gassi zu gehen und die Multitasker müssen schon etwas genauer aufpassen – spätestens nachdem die zweite Person, die nach einer halben Seminarstunde alleine im Gruppenraum war, ihrer Irritation Ausdruck gegeben hat und man per Chat nochmal nachfragtt. Man muss natürlich dann später nochmal nachfragen, ob die Person jetzt da ist…
Es hat sich (bei überschaubaren Teilnehmerzahlen) auch bewährt, einzelne schwarze Kacheln gezielt anzusprechen: „Herr Meyer, wie sehen Sie das?“ Wenn dann keine Antwort kommt, weiß man Bescheid, die Person ist gar nicht da.
Kommunikativ: Mit ins Boot holen, um Verständnis werben. „Ich kann gut verstehen, dass es dem einen oder der anderen unangenehm ist, hier dauernd sichtbar zu sein/dass der eine oder die andere einen vollen Schreibtisch hat und deshalb auch nebenher noch etwas tun möchte/…, aber erfahrungsgemäß hat man dann nicht so viel vom Seminar“ „Für mich ist es sehr schwer einzuschätzen, ob ich Sie mitgenommen habe, wenn ich Sie nicht sehen kann…“ „In der Regel ist es bei Nebenher-Tätigkeiten so, dass man glaubt, auch dem Seminar gefolgt zu sein, aber tatsächlich hat man nur wenig mitbekommen“, usw.
Grandiose Überschätzung der eigenen Multitasking Fähigkeiten – das ist großartig!
Ich kenne es ja von mir selbst. Ich mache als Teilnehmerin die Webcam aus, wenn ich einen Gähnkrampf nach dem nächsten bekomme ( weil es so spät ist) oder unbedingt was essen muss, weil ich sonst vom Stuhl falle.
Also da ist es reine Höflichkeit.
Ansonsten kommen die Teilnehmenden in meinen Seminaren kaum dazu, was anderes zu machen, weil ich immer interaktive Methoden einsetze.